Wie ein wichtiger Meilenstein der super-weltstandard-software zustande kam, angeblich ...
PS kürzten wir damals fachintern PostScript an, die erste in der Druckindustrie massiv eindringende Seitenbeschreibungssprache, fachenglisch markup-language genannt. Sie sorgte für eine explosionsartige Revolution, weil nur auf solchen Wege eine Verbindung von Front- und Backends unterschiedlicher Fabrikate möglich war.
PostScript war der Vorläufer von PDF, dem heutigen Weltstandard für austauschbare Dokumente.
ADOBE, POSTSCRIPT, LINOTYPE, & WENKE
Es gibt eine Legende, das heißt aus meiner Sicht ein Hörensagen von einem Menschen, an dessen Seriosität ich nicht zweifle und von dem ich seinerzeit meines Wissens nach nur Wahrheiten gehört habe. Also warum nicht auch diese. Es war eine von mir geschriebener Artikel, mutmaßlich in der damalen Fachzeitschrift „Offsetpraxis“ veröffentlich (oder ersatzwei- se, ich weiß es nicht mehr so genau, im „Deutschen Drucker“), der im da- maligen Hause Linotype GmbH ein wahres Erdbeben auslöste. Das, hier wird die Legende möglicherweise zur Geschichte der grafischen Industrie und damit von weltweiter Bedeutung, extrem gravierende Folgen hatte.
Nicht mehr oder weniger als den Beginn des Endes der klassischen, seit Gutenberg gepflegten und unikalen, esoterischen, insiderischen, extrem abgeschotteten und für Fremde immer ein Mythos gebliebene und bleibende Druckmedienvorstufe; da- mals „Satz, Setzen, Setzerei“ genannt.
Und in Folge dessen auch der klassischen Druckindustrie. Satz war mit Buchdruck und den „heavy metal“-Maschinen verbunden, die es eben nur in der Druckindustrie geben konnte, zumal sie nur von ausgebildeten Fachleuten bedienbar waren. Gleiches galt für Fotosatz und Offset, auch das war den „Jüngern Gutenbergs“ vorbehalten. Biologen würden es „inne- res Milieu“ nennen (milieu intérieur), dessen Charakteristikum übrigens eine Selbstregulation ist.
Zum damaligen Zeitpunkt, es muss um 1983/84 gewesen sein, insofern ist der nachfolgende Vortitel des Originaltextes dem jeweiligen Lesejahr adäquat anzupassen) war der Urknall ein Artikel von mir – der übrigens in Folge mehrere Artikel vorweg stand –, der nach heftigen haus-internen Diskussionen zu einer epochalen Entscheidung führte: Man beschloss, dass die so genanten Frontends der Satzsysteme (also die Eingabegeräte, die Mensch-Maschine-Schnittstellen) als Ausgabe auch das PostScript-Format ausspucken konnten und nicht, wie bislang üblich, die jeweils hersteller- und/oder sogar systemkonfigurations-spezifischen geschlossenen Daten- formate. Die konnte niemand anders lesen, sie waren reine Kryptografie, dem gleich, was auch beim Miltitär im Geheimdienst und bei geheimen Kommandolagen angewendet wird.
Alle konkurrierenden Hersteller und Anbieter, die intensiv um Marktanteile kämpf- ten, hatten ihre geschlossenen, nicht durch jeweils des anderen Ausgabegeräte ver- wendbaren haus-/system-typischen geschlossenen Datenformate:
Monotype, Agfa, vor allem aber Berthold, der sich selbst als Platzhirsch und ,Number One’ fühlende traditionsreiche, von einer unglaublichen Ar- roganz geprägte Fotosatzsystemhersteller. Dessen Eitelkeit begründete sich einst auf einer weltweit einmaligen Schriftenbibliothek mit den meistverwendetsten und edelsten Schriften, begeht und beliebt vor allem bei den mit Selbstdünkeln bis zum Unerträglichen geprägten Grafikern, die damals auch in Deutschland begannen, sich Designer zu nennen und sich für den Gipfel der evolutionären Menschenschöpfung hielten. Obwohl Lino- types Schrift Times im Zusammenhang mit der Erfindung der Zeilensetzma- schine das Druckwesen revolutionierte und die Zeitungen/Zeitschriften möglich machten, die täglich (oder sogar mehrmals täglich) erschienen, war Berthold durch die „edlen“ Schriften zum Typographiemode-Designer par excellence geworden. Sie hielten am verschlüsselten berthold-internen Datenformat fest, switchten nie ernsthaft auf PostScript um und gingen 1993 pleite. Ich meine bis heute, zu recht, schon allein wegen ihrer voll- kommen verblödeten Uneinsichtigkeit, die den Kunden ganz real Millio- nenverluste in beträchtlichem Umfang brachten.
Linotype, das später – 1997 – von der Heidelberger Druckmaschinen AG gekauft und übernommen wurde, inzwischen ist Linotype im Besitz der Monotype, Linotype beschloss also die Öffnung Richtung Postskript. Der Artikel von Wenke soll, so die Sage, das Faß zum Überlaufen gebracht ha- ben. Es war jener Schneeball, der die Lawine zum Rollen brachte.
PostScript hatte ein bald folgendes Ende und wurde durch PDF abge- löst; beides waren Entwicklungen und der Kern des globalen Erfolges von Adobe. Das ist übrigens heute und schon lange, nach Microsoft, das zweit- größte Software-Unternehmen der Welt. Ein global player, der die gesamte Grafische Industrie 550 Jahre nach Gutenberg irreversibel radikal verän- dert hat; er hat das alte Gewerbe beendet und eine neue Periode der Pro- duktion grafisch-visuellen Publikationen begonnen. Mit der netten Eigen- schaft, dass ihre Produkte = Werkzeuge (Programme, Software) in mehr als dreiviertel aller weltweit erstellten Online- und Printproduktionen einge- setzt werden. Mehr Weltmarktanteil hat in allen wirtschaftlichen Fachge- bieten, die es gibt, kaum ein Unternehmen; Adobe ist also ein wirklicher Weltmarktführer – Börsenwert 2918 ca. 120 Mrd.$.
Zum damaligen Zeitpunkt, als sie PostScript ins Rennen geschickt hatten und vor allem ein paar wenige europäische Berater/Journalisten sich mit Eifer dafür eingesetzt haben (weil es logisch, vernünftig, zeitgemäß-erfor- derlich, in jeder Beziehung vernünftig war und absolut „in der Luft lag“), war es noch ein Exot und Adobe ein kleines nettes, aber noch ziemlich bedeutungsloses Unternehmen im Silicon Valley (in Los Altos; hinter dem Haus des Gründers John Warnocks, sein Partner und Mitgründer ist Charles
„Chuck“ Geschke verläuft ein Bach namens Adobe, der Begriff selbst stammt aus dem spanischen und wurde von den zuvor dort siedelnden Indianerstämmen verwendet, er bedeutet „Lehmziegel“).
Und dieser Zwerg sollte den Riesen Linotype bezwingen?
Ja, denn die Idee von PostScript entsprach einer Forderung der Anwender/ Käufer von Satzsystemes, also des Marktes. Sie wollten aus guten und ab- solut richtigen Gründen die verschiedenen Satz- und Belichtungssysteme
„mischen“, weil sie jeweils andere Eigenschaften hatten, deren Kombinati- on sehr viel Sinn machte. Aber noch ein viel gewichtigeres Argument wur- de zum unausweichlichen „Knackepunkt“ der damaligen Situation: Kauf- ten die Anwender (Setzerei, Druckereien) neue System, konnten sie unter Umständen, um nicht zu sagen: meistens, die alten schon fertigen Umbrü- che der Seiten und deren inhaltliche Elemente nicht mehr verwenden. Was hieß, sobald etwas geändert werden musste (also nur Teile, oft einzelne Buchstaben oder Ziffern), musste die gesamte Arbeit neu gemacht werden. Ein wirtschaftlich völlig unhaltbarer Zustand, eine Katastrofe. Es musste also eine Lösung her, die das alte mit dem neuen verband. Außerdem wa- ren die Käufer an die jeweiligen System gefessetlt, das war reine Erpres- sung, was sich auch in den horrenden Preisen für Satzsystem widerspiegel- te.
PostScript als Öffnung des Deckels,
der Druck aus dem dampfenden Kessel nahm, als alternativen Weg einzu- führen, freizugeben, zu unterstützen und möglich zu machen, verhinderte, dass es zu einer Revolution auf andere Art und Weise in der Satzsystem- Sparte gekommen wäre.
Der Artikel von Wenke sagte dies damals auch klipp und klar. Man folgte dieser Logik – und die Satz-/Druckindustrie war in diesem Moment neu- geboren.
Wahrlich ein Milestone, ein Meilenstein in der Geschischte dieses zentral wichtigen Gewerbes. Printpublishing, das Druckwesen, hat die Welt voll- kommen verändert (von ca. 1500 an), alles poltisch-gesellschaftliche, wis- senschaftlich und mit „Wissen“ verbundene sowieso, wäre heute ohne Gu- tenberg vollkommen anders.
Und Internet wäre in dieser Art und vor allem Geschwindigkeit nicht in die Welt ge- kommen, wenn es nicht PostScript gegeben hätte.
Denn das war die Einführung und Durchbruch (nicht das erstmalige Vor- kommen!) von ML (XML, HTML usw.), der so genannten „objektorientier- ten Seitenbeschreibungssprache“. Sie ist die Basis moderner und mit größ- ter Wahrscheinlichkeit auch zukünftiger Architekturen von Online- und Printseiten. Im Kern geht es um die Trennung von Inhalten (Content), der expliziten Gestaltung = des optischen, visuellen, typographischen Ausse- hens (Design, Make-up) und der Zusammenführung der beidenen Grund- elemente mit ihren individuellen Eigenschaften zum aktuellen, temporären Print- oder Online-Dokument/-Publikation/-Präsentation, zur Seite, zur Bildschirm-Darstellung (Document). Die Änderung eines Inhalt-Parameters des Content-Containers und des Design-Containers bewirkt eine globale Veränderung im finalen Dokument. Das ist eine so intelligente Lösung, die komplett konträr zur Situation „vor PostScript“ war. Und die eben damals anstand. Vor allem zu 100% richtig war, wie wir heute wissen.
Ein Artikel war das Zündplättchen im reichlich vorgladenen Böllergewehr; der Schuss hatte einen lauten Knall und er traf die Gutenberg-Technologie mitten ins Herz. Gutenberg war tot – und wer ist es mit-schuld: der olle Wenke. Als hätte man es nicht geahnt.
Doch der findet, anstatt ihn zu tadeln, sollte man ihn loben. Denn es ent- stand, was heute keiner missen möchte: Via DTP (Desktop Publishing) die ganze Toolbox des crossmedialen Publizierens, des wirklichen Multimedia, der Verbindung von Print und Online.
Gut, dass dieser aufsässige Journalist damals mit Eifer und Entschlossen- heit diesen Artikel geschrieben hat. Dieser ist im Original nicht mehr er- halten. Aber eine rückblickende Betrachtung – inzwischen auch schon Historie – sehr wohl; buchstabengetreu original:
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20 Jahre Freiheit. Und wie es dazu kam.
Von Dipl.-Ing. Hans-Georg Wenke
Einen genauen Tag gibt es nicht. Die Legende sagt, der Entscheider wäre anschließend gekündigt worden. Anfangs wurde viel gelacht. Bis keiner mehr zu lachen hatte. Und vor allem: Jüngere wissen gar nicht mehr, wie die Welt mal war, als die Welt noch in Ordnung war. Und deshalb alle Gegautschten forderten: Wir sind Helden, aber kosten darf’s nix – weil: Geld bekommen wir nicht (oder nur wenig) dafür.
Der Reihe nach. Einst, erst zwanzig und ein paar Jährchen her, gab es hoch-elektrische, sogar schon digital-rudimentäre Satzsysteme. Schön unterschieden nach Frontend, Workstations und Output. Klassisch dem Computer-Dreisatz folgend: Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe. Die Systeme
waren gut. Aber teuer. Und vor allem: sie waren so genannte „dedizierte“ Systeme, auch „geschlossene Systeme“ geheißen. Wer Frontends von Her- steller B (wie beispielsweise Berthold) kaufte, musste auch die Belichter von B kaufen. Wer bei C (Compugraphic), L (Linotype), A (Agfa) oder M (Monotype) kaufen wollte, war ebenso an diesen Lieferanten in tutto ge- bunden.
Da kamen ein paar clevere Amerikaner,
die so clever waren, das sie bei den Xerox Laboratorien, ihrem vormaligen Arbeitgeber, nicht verstanden und schon gar nicht beachtet wurden, mit dem harmlosen Vorschlag, man könne doch eine „Seitenbeschreibungs- sprache“ machen, die alle Workstations schreiben und alle Belichter ver- stehen könnten. Für ein wenig Lizenz an die Herren John Warnock und Chuck Geschke samt ihrem bescheidenen Unternehmen Adobe; benannt nach einem kleinen trocken Wüstenbach und der wiederum nach den Zie- gelhütten der Indianer im wilden weiten Westen der pioniergeschwänger- ten USA, die sich seinerzeit des Silicon Valleys rühmten.
Das sahen die Satzsystemhersteller, vorwiegend deutsche, nicht so gerne.
Weil es doch ihr eigenes Monopol zu brechen drohte. Wäre ja noch schö- ner, dachten sie, wenn man B mit C und C mit L verbinden könnten. Wäre ja doch schön, dachten die Setzer, wenn man L mit M und M mit A verbin- den könnte. Und so begann L zu sagen „Ja, warum nicht?!“, öffnete seine Belichterschnittstellentüren für PostScript und schmiss den Menschen, der diese mutige Entscheidung getroffen hatte, später raus. Keiner weiß, war- um.
Adobe freute es, die Öffnung.
War dieser Durchbruch seinerzeit doch so etwas wie das Etikett „IBM-kom- patibel“, was zu Anfangszeiten der PCs wie die Genehmigung durch das Königshaus galt: k-und-k-Hoflieferant, eben: IBM-kompatibel, Linotype- PostScript-tauglich. Und alle, bis auf B, beeilten sich, es auch zu tun. Weshalb B im wirtschaftlichen Folgejahr nach dem besten Bilanzergebnis seiner Firmengeschichte zum Konkursrichter musste. Aber PostScript war in der Welt – und damit die „offenen Systeme“.
Man hätte besser sagen sollen: die offenen Fragen, die offenen Probleme, die offenen Türen für alle möglichen Entwicklungen, die keiner voraussah
– und ehrlich gesagt, keiner von den privilegierten Setzern sehen wollte. Denn eigentlich war PostScript von Anfang an nichts anderes als eine Lö- sung für „Documents“, für gleich wie, gleich für wen, gleich von wem, gleich mit welchem Programm und Computer geschriebene grafische Seiten und Werke. Vor allem aber eine Lösung, die „im Hintergrund“ läuft, die
„keinen etwas angeht“ und die wie ein Treiber oder sonstige Hilfs-Software ihre Dienste unauffällig tief im Inneren des Computers verrichten sollte.
Was den Setzern so nicht behagte,
weil die Funktionen, die PostScript hatte und konnte, nicht „profi-like“ waren. höhnten die Setzer, motzten wie wild und forderten Nachbesserun- gen auf Druckerei-Niveau. Adobe, marktorientiert, horchte auf und machte sich den Feind zum Freund: niemals zuvor und später bekam ein Unter- nehmen eine derart massive und umfassende kostenlose Entwicklung zum High-Qualität-Standard frei Haus geliefert wie Adobe. Vom Nulltarif zur Spitzenklasse sozuzsagen. Dass sich die Setzer damit selbst beerdigten, merkten sie erst viel, viel später.
Denn was ist passiert?
Fünf Jahrhunderte lang waren es die Menschen mit der Berufsbezeichnung Setzer, die mit Hilfe weniger, aber hochspezialisierter Werkzeuge einzig die Druckformen sach- und fachgerecht aufbereiten konnte. Nun ist es,
womöglich auch für lange Zeit, ein einziges Programm (PDF als funktiona- ler Nachfolger der satztechnischen PostScript-Offenheit), das mit Hilfe einiger weniger hochspezialisierter „Setzer“ die Druckseitenaufbereitung automatisiert. Besser gesagt: automatisieren sollte. Denn das ist, was PDF soll, kann und muss, die Arbeit automatisieren.
Unabhängig von Menschen machen. So wie heute fast alles in Industrie und Technik automatisiert ist. Ob Nudeln geformt, Hemden genäht, Flug- zeuge gestartet oder Züge aus dem Bahnhof geschickt werden: Irgendje- mand drückt noch einen Knopf „go“, und dann läuft alles automatisch. Bis der Knopf „stop“ gedrückt wird. Genauso müssen auch Druckseiten erstellt werden. Unabhängig von der Maschine, dem Programm, auf und mit dem sie erstellt werden.
Weil dies die Betroffenen nicht haben, die Unternehmensverantwortlichen nicht glauben, die Praktiker nicht akzeptieren wollen, eiert diese Branche PrePress verlustbringend vor sich hin – in aller Regel.
Nur wenige, nämlich „automatisierte“ Betriebe und Abteilungen können (oder wollen?) Geld damit verdienen. Für den Rest ist die Druckvorstufe, einst Stolz des Gewerbes, längst der Klotz am Bein. Weil die Branche sum- ma summarum nicht akzeptiert, was Fakt ist: Automatisierung und sonst nichts. Automatisierung ist das Ziel, der Sinn, der Nutzen einer Freiheit, die allgemein „Kompatibilität“ heisst (und bedeutet, das eine passt zum anderen) und in diesem Metier Satz bzw. Druckvorstufe vor rund 20 Jahren mit PostScript begann.
Enden wird die Erfolgsstory, wenn die Menschen, die PostScript und neuer- dings PDF so groß, so mächtig, so funktionell, so gut, so stark, so allum- fassend, so sicher, so vielfältig, so schnell, so qualitativ, so raffiniert, so einfach, so automatisch gemacht haben, wie es jetzt schon ist und bald noch mehr werden wird, damit endgültig ersetzt werden können. Dann haben sie endlich die Freiheit, die sie mit PostScript vor 20 Jahren gefor- dert und bekommen haben.
Doch wie das so ist im wirklichen Leben:
die Früchte ernten oft nicht die, die sie gesät oder gepflegt haben. Pionie- re kommen selten in den Genuss ihrer Arbeit. Und so ist es auch diesmal. Zwar haben vor allem die Fachleute der grafischen Industrie PDF und da- mit ein universell-einheitliches Datenformat, das die völlige Offenheit, Kompatibilität mit und zwischen allen und jedem erlaubt, was als profes- sionelles Werkzeug der Medienvorstufe angesehen werden kann, sei es Soft- oder Hardware, groß und mächtig, funktionell und rationell, qualita- tiv und zuverlässig gemacht. Allein, es profitieren vor allem deren Kunden davon.
Denn diese, die Kunden der Druckindustrie, haben nun die völlige Frei- heit, Unabhängigkeit, Auswahl, Vielfalt. Mussten sie sich früher mehr oder weniger für den Gesamtprozess „vom Manuskript bis zum Druck“ für einen Lieferanten, Dienstleister entscheiden, können sie heute splitten und ver- teilen, organisieren und zusammenfügen, wie immer es ihnen recht er- scheint. PDF und einige andere damit zusammenhängende Qualitätsstan- dards sind die Brücke, die es ermöglicht. Nicht Frontends und Backends als Maschinen oder die Programme und Computerplattformen sind damit beliebig kombinierbar und austauschbar geworden, vor allem die Personen oder Unternehmen im Produktionsprozess, dem Workflow sind es.
Was zwei grundsätzliche Folgen hat.
Die Welt hat in der Tat so etwas wie ein „Welt-Datenformat“ gefunden. Und das könnte, wenn die Entwicklung gradlinig weiterläuft, eine epochale Tat sein. Eine, die wirtschaftlich-kulturell so bedeutend ist wie die Aufhebung
von Ein- und Ausfuhrbeschränkungen nebst Reisebeschränkungen – also globaler Wettbewerb und „globales Dorf“. Und es fordert die Dienstleister der Druckindustrie auf unumkehrbare Art und Weise heraus, ihre Stärken, ihr Können, ihre Besonderheiten, ihre Leistung, mit der man Geld verdie- nen kann, neu zu definieren. Unternehmen der grafischen Industrie müs- sen, allesamt, ohne Ausnahme „neu konstruiert“, neu profiliert werden. Einerseits auf der Basis des Datenaustauschs via Netzwerken und anderer- seits auf der Basis der offenen Standards und Datenformate, allen vorweg PDF. Mit anderen Worten: Danke Johannes Gutenberg. Deine Ära ist end- gültig, unwiderruflich zu Ende gegangen. Nicht mehr und nicht weniger.
Und: es ist eine neue Druckindustrie geboren. Längst nicht alle, Be- triebe wie Fachleute, akzeptieren das und werden jemals dort ankom- men. Nicht jeder Sieg – hier der der Freiheit via PostScript – ist eben auch ein köstlicher. Und „PostScript und PDF ersetzt die Setzer“ ist doch ein schöner Satz, über den man automatisch nachdenken muss, wenn man über Satz nicht mehr nachdenken muss …
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Originalscript für die Veröffentlichung des Artikels „Der finale Wenke“, Editorial für die Fachzeitschrift „Grafische Revue“, Wien, 2019
Gutenberg-Gesellschaft und Stadt Mainz: Laudatio vor geladenen Gäs- ten anlässlich der feierlichen Verleihung des Gutenberg-Preises 1994 der Stadt Mainz an Paul Brainerd.
Am Beginn ein Ereignis, das für mich von ganz besonderem emotionalen Wert ist. Die US-Amerikaner kürten um die Jahrtausendwende Johannes Gutenberg wegen seiner epochalen, alle Welt verändernden und beeinflus- senden Entwicklung zum „Mann des Jahrtausends“. In der Tat, die Ent- wicklung der Welt wäre eine andere gewesen, hätte es seine Erfindung zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Rund 500 Jahre später kam die DTP- (Desktop Publishing-)Revolution, die der von Gutenberg vergleichbar war. Gutenberg überwandt die Enge und Dominanz der Kloster-Scriptorien, das Privileg der Kirche auf Bildung und Informationsbesitz; er „sozialisierte“ die grafische Kommunikation. Gleiches tat, auf der Basis von Digitalisie- rung und Vernetzung (globale Verbindung von Computern; u. a. Internet) Paul Brainerd mit seiner Erfindung einer Software, die „PageMager“ hieß und der Urknall des DTP ist; zusammen mit der Hardware von Apple und den zahlreichen Tools von Xerox (u. a. Maus, Basis von Hypertext/HTML-
Protokollen, grafischen Bildschirmen mit ihrem WYSIWIG what You see is what You get).
Dieser Pionier Brainerd erhielt 1997 den Gutenberg-Preis, die höchste Aus- zeichnung der Druckindustrie in Deutschland und mit globaler Bedeutung. Ich durfte die Laudatio haltenmund habe viele Stunden mit Paul Brainerd
„privat“ und „so ganz unter uns“ reden können. So etwas passiert(e) nicht vielen Menschen, und ganz ehrlich und offen, ich bin sehr stolz dar-
auf und glücklich darüber, dieses Privileg gehabt zu haben.
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Anmerkung:
Ohne PostScript wäre die Erfingung bzw. Entwicklung und Einführung von DTP (Desktop Publishing, d.h. Seitenaufbereitung für [damals noch] Druckzwecke an/ auf/mit normalen Büro- und Allzweck-Computern wie Apple Mac oder so genannte IBM-kompatible PCs) nicht möglich gewesen.
Denn diese Computer als Frontend vereinten teilweise vorher in den Satz- systemen getrennte Software-Module oder gar phyische Funktionen. Als Ausgabe brauchten sie zwingend eine neutrale, universelle Kodierungs- form, die von mehr oder weniger allen Belichtern gelesen werden konnten.
Von wesentlicher Bedeutung waren dabei die RIPs, die Raster-Image-Pro- zessoren. Eigentlich tumbe, aber ungemein arbeitsfleißige Rechenknech- te, die zwei Programmier- und Kodier-, somit auch digitalen Sprachwelten verbanden. Belichtungen und Ausdrucke werden gepixelt, also in mehr oder weniger kleine Bildpunkte mit je nach Auflösung definierten Abstand (in den jeweiligen Ausgabe-Farben) kodiert und verarbeitet. Dagegen ist PostScript – wie auch heute PDF – ist eine vektorbasierte Kodierung das Wesentliche; diese Eigenschaft erlaubt die hochqualitative, treppen- und störungsfreie Skalierung (größer und kleiner immer in der gleichen Ausgabequalität)
Mit den RIPs lassen sich zuverlässig, exakt wiederholbar und fehlerfrei interpretierbar die in mathematischen Formel beschriebenen dynamischen, nicht-linearen/-gleichmäßige Kurvenverläufe (bildlich übersetzt: „zuzie- hende Kurven“, Spiralabschnitte) in das Auflösungsraster (Bildpunktdich- te) der Ausgabegeräte umsetzen; seien es Bildschirme oder Belichter. Das sind die Fotosatzbelichtern genauso wie jeder beliebige Laserprinter. Im Grunde genommen auch die Tintenstrahl-Drucker (Jet-Printer); nur haben diese eine starre Auflösung, während sie bei Laserdruckern und Satzbe- lichtern variabel sein kann. Und selbstverständlich arbeiten auch Plotter mit solchen Umrechnungsmodellen.
Crossmedia, multimedial, skalierbar und universell, geräteunabhängig, mutiple-software-fähig, dokumentenecht und zukunftssicher – alles Ei- genschaften einer heutigen Publishingwelt, die ohne den Durchbruch von PostScript als alles verbindende Seitenbeschreibungssprache so nicht exis- tieren würden.
Ich finde, es ist eine schöne Legende,
ein Mythos, der mir sehr gefällt. *lol* & :-))