Sparen durch Geldausgehen

Wie wir willig wahnsinnig werden


Neulich hatte ich Besuch im Haus. Es kam zu einer heftigen Diskussion, an deren Ende ich leider den Gast in die Psychiatrie einweisen musste. Wegen tiefer, unheilbarer Schizophrenie, hervorgerufen durch moderne Werbung. 

Und das kam so. Ich bat meinen Gast, im gesamten Haus nicht das Licht zu löschen, in allen Zimmern nicht, auch bei Tage. Das entsetzt-erstaunte Blicken konnte ich leicht und logisch beantworten: „Ich habe überall Energiesparbirnen installiert. Und je länger die brennen, desto mehr Geld spare ich." Weil sich der Gast einer Schnappatmung hingeben musste, konnte ich blitzschnell hinzusetzen: Bis heute habe ich 15.000 Kilowattstunden gespart, von diesem Betrag fahre ich in Urlaub.“

Bin ich meschugge? Nein, ich habe die Werbung durchschaut. Denn die macht mit uns täglich genau dies. Auch mit meinem bedauernswerten Bekannten, der nun in der Psychiatrie lernen muss, dass nicht er, sondern die Werbung total bekloppt ist. Weil er mir dieses Geständnis abgelegt hat. 

1. Aldi verkaufte neulich XYZ für 1,99 statt 2,99. Mein Bekannter kaufte. Er benötigt eigentlich gar kein XYZ.

2. Er hat eine Zeitschrift abonniert. Für die ersten drei Wochen kostenlos, dann ein halbes Jahr minus 30 Prozent und obendrein ein Grillbesteck. Mein Bekannter kommt aus Zeitmangel nicht zum Lesen und obendrein ist er Vegetarier und Salat-Fan.

3. Rumpelflug-Airways bot neulich einen Städtetrip an: Deutschland—Weltstadt 99 Euro hin und zurück inklusive Sitzplatz und Butterbrot. In der Weltstadt gab mein Bekannter 990 Euro für Hotel, Transport, Essen+Trinken aus. 

Fazit: Wir alle treffen unlogische Entscheidungen. Scheinbar aus Gier. Weil wir etwas sparen können, umsonst bekommen. So funktioniert die gesamte Werbung: auf „kostenlos“ oder „billiger“ fahren so viele mit kalkulierbarer Sicherheit ab, dass die Masche sich absolut lohnt. Und die, die von sich behaupten, sie fielen auf diesen (Werbe-)Trick nicht rein, sie wären als Konsumenten völlig souverän und unbeeinflussbar – das sind all diejenigen, die – wären die Abteilungen nicht überfüllt – sofort, heute noch in die Psychiatrie einzuliefern sind. Denn keiner von den scheinbar Unabhängigen trifft jemals eine Kaufentscheidung, wenn sie nicht zu seinem Vorteil ist. Dass es mathematisch das gleiche ist, wenn man den Preis senkt oder die Menge und Qualität (bei gleichem Preis) erhöht – nun, das haben diese Besserwisser leider seit ihrer Schulzeit wieder vergessen. Und dass durchaus viele kaufen, weil der Preis bewusst hoch ist, aber nicht der eigentlichen Qualität entspricht, so hoch, dass ihn sich nur wenige erlauben können, die dann fortan im Bewusstsein des Exklusiven und "Besserseins" leben – tja, das sind halt die unbehandelbaren Fälle. 

Ergo: diejenigen, die von sich behaupten, nicht auf Werbung reinzufallen, sind diejenigen, die man am besten manipulieren kann.


Warum sind wir so?

Überbleibsel von Gensequenzen aus der Steinzeit? Antrainiertes Kulturverhalten? Individuelle Macke? Massenhysterie?


Die Erklärung ist viel einfacher: Beutetrieb. Überlebensstrategie. «Suvival of the fittest», die Dominanz-Chance für die am besten Angepasstesten. Seit es Leben gibt – vom Einzeller an – geht es um die Verwertung von Energie. Was zu übersetzen ist mit „Nutzen der besten sich bietenden Möglichkeiten“. Kein Tier wird eine Chance auslassen, sich individuell gegenüber anderen, erst recht anderen Arten, zu behaupten, durchzusetzen. Warum sollten dies die Menschen tun. Sie werten alles, was in ihrer Umgebung geschieht, unter dem Entscheidungs-Blickwinkel: habe ich Vorteile davon? Vorteil erhaschen – nur das können wir wirklich. Alles andere ist kulturell erdichtetes Geschwafel und pseudo-philosophisches Geschwurbel. Der Mensch ist weder gut noch böse. Er ist ein Chancen-Verwerter. So steht er da, er kann nicht anders. 


Werbung ist die derzeit intelligent-eleganteste Art, diesen Trieb zu nutzen.